Zertifizierung von nachhaltigen Rechenzentren: Ein umfassender Überblick über die Optionen
NDC-GARBE 24/10/2024
Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind heute in fast allen Bereichen des Berufs- und Privatlebens angekommen. In einem so schnell wachsenden und ressourcenintensiven Sektor wie der Rechenzentrumsbranche tragen wir bei NDC-GARBE eine besondere Verantwortung.
Gesetzliche Regelungen wie das deutsche Energieeffizienzgesetz (EnEfG) und die Energieeffizienz-Richtlinie (EED) der Europäischen Union (EU) spannen den Rahmen, in dem sich Entwickler und Betreiber von Rechenzentren – also auch wir – bewegen müssen. Wir wollen aber nicht nur so energieeffizient und ressourcenschonend wie möglich agieren, weil wir dazu verpflichtet sind. Unser Anspruch ist es, dem steigenden Bedarf an Energie verantwortungsvoll zu begegnen. Eine unserer Maßnahmen ist der Einsatz der patentierten Green-IT Cube-Technologie, mit der energieeffiziente Kühlsysteme zum Einsatz kommen.
Rechenzentrumszertifikate im Überblick: Fokus Nachhaltigkeit
Um die Nachhaltigkeit von Rechenzentren auch von außen erkennbar zu machen, können Bauherren und Betreiber ihre Rechenzentren von unabhängiger Stelle zertifizieren lassen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Normen und Zertifikaten zur Nachhaltigkeit in Rechenzentren, sodass schnell der Überblick verloren geht. Wir haben uns für Sie durch den „Zertifizierungs-Dschungel“ gekämpft und stellen Ihnen im Folgenden die relevanten Standards und Auszeichnungen vor.
Blauer Engel für Rechenzentren: Umweltzeichen für Nachhaltigkeit
Eine Zertifizierung für besonders energieeffiziente und ressourcenschonende Rechenzentren ist der Blaue Engel für Rechenzentren (DE-UZ 228), der vom Umweltbundesamt (UBA) vergeben wird. Er vereint die bisherigen Umweltzeichen „Energieeffizienter Rechenzentrumsbetrieb“ (DE-UZ 161) und „Klimaschonende Co-Location-Rechenzentren“ (DE-UZ 214) und stellt aktuell die höchsten Anforderungen an Entwickler und Betreiber. Ein vom Umweltbundesamt beauftragter Auditor überprüft die Einhaltung von Mindestanforderungen und zertifiziert Rechenzentren im Hinblick auf den energieeffizienten sowie klima- und ressourcenschonenden Betrieb der technischen Gebäudeausrüstung. Ebenso berücksichtigt werden eine langfristige Strategie zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz, der energieeffiziente Einsatz von Informationstechnik sowie Services mit garantierten Mindeststandards und eine transparente Berichterstattung für IT-Betreiber und Kunden. Dabei orientiert sich das Umweltbundesamt an einem selbst entwickelten Kennzahlensystem: Mit den Key Performance Indicators for Data Center Efficiency (KPI4DCE) wird sichtbar gemacht, in welchen Bereichen eines Rechenzentrums (Server, Storage, Netzwerktechnik und Gebäudetechnik) noch Optimierungspotenziale hinsichtlich der Energie- und Ressourceneffizienz bestehen.
„Sustainable Data Center“: TÜV-geprüftes Zertifikat
Das Zertifikat „Sustainable Data Center“ wird vom TÜV Rheinland vergeben. Es bestätigt den nachhaltigen und klimaneutralen Betrieb von Rechenzentren und gilt als unabhängiger Nachweis dafür, dass die gesetzlichen Anforderungen bezüglich Energieeffizienz, Ressourcenschonung und CO2-Ausstoß erfüllt werden. Wenn Standort, Hardware-Effektivität, Energieeffizienz, Elektro- und Klimatechnik sowie das Management von Abwärme, Wasser und Emissionen den Anforderungen entsprechen, erhalten Betreiber die Auszeichnung „Sustainable Data Center“. Neben einem Audit vor Ort zum Status quo eines Rechenzentrums sowie einer Begutachtung von Gebäude- und Technikplänen umfasst die Evaluierung neun weitere Schwerpunktthemen – von der Klimatechnik über die IT-Ausstattung bis zu den Mitarbeitern. Der jeweils errechnete Klimaindex und das Zertifikat sind drei Jahre lang gültig. Zur Verlängerung muss mindestens einmal jährlich ein Audit stattfinden.
Neben den beiden deutschen Regelwerken hat auch die EU einige Normen entwickelt, um grenzübergreifend die gleichen Nachhaltigkeitsstandards für Rechenzentren zu etablieren.
EU Code of Conduct for Data Centre Energy Efficiency: Der politische Rahmen
Der EU Code of Conduct for Data Centre Energy Efficiency (EU CoC) wurde gemeinsam von der EU-Kommission sowie Architekten, Entwicklern und Betreibern der Rechenzentrumsbranche initiiert. Im Rahmen dieser Selbstregulierung sind Mindeststandards hinsichtlich der Energieeffizienz von Rechenzentren entstanden, die Betreibern zur Zertifizierung ihrer Gebäude dienen. Der EU CoC bildet die Grundlage für die im Folgenden vorgestellten Normen EN 50600-5 und TSE.STANDARD (Trusted Site Energy Efficiency).
DIN EN 50600: Die europäische Norm für Rechenzentren
Die DIN EN 50600 ist ein umfassendes Regelwerk für verschiedene Bereiche der Planung, des Baus und des Betriebs von Rechenzentren. Sie gibt Verantwortlichen einen Leitfaden an die Hand, um ihr Rechenzentrum auf der Basis einer europaweit gültigen Norm zukunftssicher zu planen, zu betreiben und umzurüsten. Für die Zertifizierung hat der TÜV IT (Teil der TÜV NORD GROUP) den Kriterienkatalog „TSI.EN50600“ entwickelt – TSI steht für „Trusted Site Infrastructure“.
Die Norm bietet Anweisungen und Interpretationshilfen für die Überprüfung von Rechenzentren, um eine einheitliche Evaluation zu gewährleisten. Der Prüfprozess besteht grundsätzlich aus vier bis fünf Schritten. Zu Beginn wird ein optionaler Workshop zur Vorbereitung empfohlen. Auf den Check relevanter Dokumente im Hinblick auf die Anforderungen der DIN EN 50600 folgt eine Vor-Ort-Überprüfung der umgesetzten und geplanten Maßnahmen. Abschließend werden der Prüfbericht und Zertifikate erstellt. Letztere sind für zwei Jahre gültig, dann ist eine Rezertifizierung erforderlich.
Speziell auf das Thema Nachhaltigkeit ausgerichtet ist der neu hinzugefügte fünfte Teil der Norm, das sogenannte „Data Center Maturity Model“ (EN 50600-5). Es definiert Reifegrade, die den jeweiligen Stand der Energie- und Ressourceneffizienz eines Rechenzentrums widerspiegeln.
Trusted Site Energy Efficiency: Zertifikat für den Reifegrad von Rechenzentren
Mithilfe der TSE-Methodik lassen sich Aussagen zum ressourcen- und energieeffizienten Betrieb eines Rechenzentrums treffen. Planer, Bauherren und Betreiber von Rechenzentren sollen dabei unterstützt werden, sowohl EU-weite (EN 50600-5) als auch internationale (ISO 50001) Anforderungen zu erfüllen. Dafür hat der TÜV IT den TSE.STANDARD V2.1 entwickelt, der einem Baukastensystem ähnelt. Entwickler und Betreiber können die Module flexibel kombinieren und frei entscheiden, welche Vorgaben sie erfüllen möchten. Auch hier können verschiedene Reifegrade erreicht werden – abhängig davon, wie fortgeschritten die Maßnahmen rund um ein Rechenzentrum sind. Der Prüfprozess gleicht dem Verfahren nach dem TSI-Kriterienkatalog und das TSE-Zertifikat hat zunächst eine Gültigkeit von einem Jahr. Die Norm zielt darauf ab, ein spezifisches Energiemanagementsystem für Rechenzentren zu etablieren. Dieses System soll kontinuierliche Verbesserungen im Sinne der ISO 50001:2018 ermöglichen. Nach der TSE-Zertifizierung können Rechenzentren daher auch eine vollständige Zertifizierung nach ISO 50001 anstreben.
ISO/IEC 22237: Die internationale Variante der DIN EN 50600
Die internationale Norm ISO/IEC 22237 (Information Technology – Data Centre Facilities and Infrastructures) soll die Grundlage dafür schaffen, dass Rechenzentren in Zukunft weltweit nach den gleichen Standards geplant, errichtet, betrieben und verglichen werden können. Gemeinsam mit der ISO 30134 bietet sie einen ganzheitlichen Ansatz für die Bewertung und Zertifizierung von Rechenzentren, der sowohl in Bezug auf die Verfügbarkeit und Sicherheit als auch hinsichtlich der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit alle Aspekte abdeckt. Nach aktuellem Stand gehen die Anforderungen nach DIN EN 50600 weitgehend unverändert im international gültigen Standard ISO/IEC 22237 auf. Die Zertifizierung erfolgt nach dem TÜV-IT-üblichen Prozess.
Leadership in Energy and Environmental Design: Für energieeffiziente Gebäude
Leadership in Energy and Environmental Design (LEED) ist ebenfalls ein internationales Zertifizierungssystem zur Bewertung energieeffizienter und nachhaltiger Gebäude. Von den insgesamt acht Themenbereichen sind vier für Rechenzentren relevant: „Gebäudequalität“, „Wassereffizienz“, „Energie und globale Umweltauswirkungen“ sowie „Stoffkreisläufe und Ressourcenschonung“. Bei dem Zertifizierungssystem können ebenfalls verschiedene Reifegrade erreicht werden. Ursprünglich ins Leben gerufen wurde LEED vom U.S. Green Building Council (USGBC). Für europäische Unternehmen ist Green Business Certification (GBCI) Europe zuständig. Da das LEED-Zertifikat auf US-amerikanischen Standards basiert, muss sorgfältig überprüft werden, ob auch die bestehenden deutschen und europäischen Anforderungen eingehalten werden. Im Gegensatz zu den bereits erwähnten Normen gibt es keine Best Practices. Anwendung findet das Zertifikat bisher vorrangig im Co-Location-Sektor.
Kompetenten Ansprechpartner finden
Alle beschriebenen Standards dienen dazu, die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit in Rechenzentren schnell und besser beurteilen zu können. Die Überprüfungen für die Zertifizierungen zeigen Betreibern außerdem eventuelle Schwachstellen und weitere Optimierungspotenziale auf. Wir von NDC-GARBE würden uns darüber freuen, Sie mit unserer Expertise bei allen Anliegen rund um den nachhaltigen Bau von Rechenzentren zu beraten und mit Ihnen gemeinsam zukünftige Projekte umzusetzen! Kontaktieren Sie und hier.